Wer bin ich?

Wenn mir jemand vor 20 Jahren gesagt hätte, dass ich heute mit Krebspatienten, chronisch Erkrankten, Trauernden und deren Angehörigen arbeiten würde, hätte ich ihn oder sie wahrscheinlich für verrückt erklärt. Mein erster Gedanke wäre genau das gewesen, was ich heute zu hören bekomme, wenn ich über meine Arbeit spreche: „Wie kannst du nur sowas machen? Das ist doch total schwer und beklemmend. Ich könnte das nicht. Das ist doch total schlimm….“ Um nur einige der Reaktionen zu schildern.

Meine Antwort ist im Grunde immer dieselbe. Nein, das ist nicht im Entferntesten das, was ich mit meinen Klienten erlebe. Gerade in einer so existenziellen Krise entwickeln viel Menschen eine Klarheit für sich, die sie mit ganz neuen Aspekten ihrer Persönlichkeit beschenkt. Das ist Nichts, wovor man Angst haben müsste, denn eins hat mich meine Arbeit gelehrt. Jeder Mensch trägt eine innere Weisheit in sich, völlig unabhängig davon, wie ihr oder sein bisheriger Lebensweg verlaufen ist. Die viel entscheidendere Frage ist, ob sie den Mut aufbringen, diese Weisheit zuzulassen.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich diesen Mut am Anfang nicht hatte. Zu meinem 40. Geburtstag, vor mehr als 10 Jahren, erhielt ich einen Anruf meines Bruders, dass er an Krebs erkrankt sei. Es folgten 3 schlimme Monate mit diversen Besuchen im 300 km entfernten Krankenhaus und dem Umstand, dass ich zu müde und erschöpft war um rechtzeitig zu seinem Tod an seinem Bett sein zu können.

2 Jahre trennte ich mich komplett von meinen Gefühlen ab und funktionierte als Mutter von 3 kleinen Kindern so gut es eben ging. Ein Weg, der in diesem Augenblick, der einzig gangbare für mich war und darin mündete, dass ich nach 2 Jahren plötzlich wieder hören konnte (mir war das Hintergrundrauschen gar nicht aufgefallen, bis es plötzlich weg war), zusätzlich erhielt ich die gleiche Grunddiagnose, die bei meinem Bruder zu seiner Krebserkrankung geführt hatte. Ich war am Boden zerstört.

Ab diesem Moment begann ich aktiv nach Hilfe zu suchen für den inneren Abgrund, der sich plötzlich in mir auftat. Eine Ärztin, die sich wenig empathisch zeigte, eine Psychologin, die darauf herumritt, dass ich wegen meines Vaters so pingelig sei und einer Pastorin, die meinte, dass man nach 2 Jahren ja eigentlich nichts mehr zu bereden hätte, waren meine Stationen. Das innere Loch wurde immer größer.

Das Bedürfnis, endlich Stille zu finden auch. 

Zu diesem Zeitpunkt fand mich ein Artikel über die Ausbildung zur Sterbeamme in Bergedorf. Schon der Infoabend war eine absolute Offenbarung für mich. Hier waren Menschen, die sich mit dem Thema Tod auskannten und aus eigener Erfahrung wussten, was bei mir los war. Im Laufe der Ausbildung lernte ich zum einen mich besser zu verstehen und zum anderen, dass jeder Mensch seine eigene Art hat mit dem Thema Sterblichkeit und Tod umzugehen. Dass es eben nicht den einen Weg gibt, der jedem hilft, sondern dass es einen Strauß an Möglichkeiten braucht, aus dem sich jeder das herausnimmt, was es braucht. 
Und mit jeder Ausbildungseinheit wurde mir klarer, dass ich genau an dieser Stelle arbeiten will, weil mein Herz dafür schlägt. 

Mittlerweile bin ich zertifizierte Sterbeamme und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ich habe diverse Weiterbildungen im Bereich der Psychoonkologie und Psychotherapie abgeschlossen und bin immer noch dabei meinen Strauß zu erweitern und zu ergänzen.
 

Was ich allerdings immer wieder in meiner Arbeit feststelle, dass meine Klienten bereits einen Strauß in sich tragen, der einfach Platz und Licht braucht. 

Seien Sie mutig und trauen sie sich. Da wo der tiefste Schatten ist, ist auch immer Licht. Wenn sie Veränderung wollen, kann ich sie unterstützen ihren persönlichen Weg zu finden. 

Heilung braucht Liebe, Dankbarkeit und Mitgefühl. All das ist bereits in ihnen vorhanden. Lassen sie sich darauf ein vielleicht auch tiefer in die Schatten zu gehen, damit wir herausfinden, von wo ihr persönliches Licht kommt.